Gauck als nächster Bundespräsident – lieber nicht

Er wäre 2010 schon mal fast Bundespräsident geworden und jetzt hat Joachim Gauck wieder gute Chancen. Ob das wirklich wünschenswert wäre? Ich sage nein, nach Ansicht einiger Zitate von und über Gauck:

Joachim Gauck, ehemaliger Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, hat die Politik aufgefordert, das Bahnprojekt Stuttgart 21 trotz der Bürgerproteste zu realisieren. In jahrelangen Prozessen seien Entscheidungen zu dem Milliardenvorhaben gefallen, die bekannt gewesen seien, sagte der ehemalige DDR- Bürgerrechtler in der ARD-Sendung „Beckmann“ am Montagabend.
(Quelle: stuttgarter-zeitung.de)

Auch Gauck findet, dass Ströbele da eine „hysterische Welle aufbaut“ , warnt aber einmal mehr davor, die Bürgerinnen und Bürger über neue Maßnahmen im Anti-Terror-Kampf nicht genug aufzuklären: „Sie müssen wissen, dass etwa die Speicherung von Telekommunikationsdaten nicht der Beginn eines Spitzelstaates ist.
[…]
„Was halten die Diskutanten also von sogenannten Nackt-Scannern, von denen an US-Flughäfen schon 69 eingesetzt werden?[…] Gauck bekennt, dass ihm das „völlig schnurz-egal“ wäre, er gehe ja auch auf den FKK-Strand.
(Quelle: derStandard.at)

Der ehemalige Bundespräsidentenkandidat Joachim Gauck glaubt dennoch nicht, dass sich die Bürgerproteste [„Occupy Wallstreet“] zu einer dauerhaften Bewegung entwickeln werden: „Das wird schnell verebben“, so Gauck. […] Die Antikapitalismusdebatte halte er für „unsäglich albern“: Der Pastor betonte, dass der Traum von einer Welt, in der man sich der Bindung von Märkten entledigen könne, eine romantische Vorstellung sei.
[…]
Man könne wichtige politische Entscheidungen, wie etwa den Ausstieg aus der Kernkraft, nicht von der Gefühlslage der Nation abhängig machen.
(Quelle:  suedeutsche.de)

Dem früheren Berliner Finanzsenator und Autor des umstrittenen Sachbuches „Deutschland schafft sich ab“, Thilo Sarrazin, attestierte Gauck, „Mut bewiesen“ zu haben. „Er hat über ein Problem, das in der Gesellschaft besteht, offener gesprochen als die Politik.“
(Quelle: tagesspiegel.de)

Update (21.02.2012):

Patrick Breitenbach gibt zu bedenken, daß viele der im Umlauf befindlichen Zitate aus dem Zusammenhang gerissen wurden, unter anderem, weil Gauck gerne ein Thema von verschiedenen Seiten betrachtet und dann nur die Seite davon zitiert wird, die ins eigene Konzept paßt.

Wiederum andersrum kann man dieses „einerseits“ – „andererseits“ auch als wendehälsisch interpretieren, wie dieser 12 Jahre alte Artikel aus dem „Freitag“ nahelegt.

Vielleicht muß ich am Ende den ganzen Artikel nochmal umstrukturieren, aber jetzt sammle ich einfach mal weiter:

„Von dem Vorschlag, für die Opfer der gerade bekannt gewordenen Mordserie von Neonazis einen Staatsakt zu veranstalten, halte ich nichts“, sagte er der „Welt“. Ein Trauergottesdienst oder ein staatlicher Trauerakt schienen ihm nicht „die richtige Form zu sein, um Toter zu gedenken, deren Ermordung schon so lange zurückliegt“. Ein Staatsakt könne nur eine unmittelbare Reaktion auf ein Ereignis sein.
(Quelle: welt.de)

Ärgerlicherweise wurde der digitale Unterstellungstrubel durch den professionellen Journalismus befeuert: Die meisten Twitterer und Blogger bezogen sich auf anzitierte Halbsätze in Qualitätsmedien.
(Quelle: spiegel.de)

24.02.2012:

Der frühere Bürgerrechtler und Grünen-Politiker Hans-Jochen Tschiche kritisiert die Nominierung von Joachim Gauck
[…]
Er ließ sich in München bei einer Preisverleihung mit den Geschwistern Scholl vergleichen und wurde noch nicht einmal schamrot. Er hat niemals zur DDR-Opposition gehört, deren Akteure man im heutigen Sprachgebrauch Bürgerrechtler nennt. Er verließ erst Ende 1989 die schützenden Mauern der Kirche und kam über das Neue Forum in die Volkskammer.
(Quelle: freitag.de)

 

Und wenn man auf die Links klickt, stellt man in den meisten Fällen fest, dass der Kontext zwar natürlich dabei hilft, Gaucks Aussagen im Zusammenhang seiner Gedankenwelt zu verstehen, aber gleichzeitig wenig geeignet ist, die Aussagen selbst zu relativieren.
(Quelle: scilogs.de)

 

In dem Part des Gesprächs geht es um den Islam; Gauck schafft es gekonnt, über Sarrazin zur “Überfremdung” zu kommen, um dann auch noch sein Lieblingsthema, den Kommunismus, unterzubringen. Bemerkenswert dabei: Gauck zieht bei seinen Ausführungen über die Fremdheit des Islams in Europa eine Parallele zum politischen Systemkampf zwischen West und Ost vor dem Fall der Mauer. Was früher die Bedrohung durch die Bolschewisten war ist heute offenbar die Gefahr durch den Islam.
(Quelle: publikative.org)

Mein persönliches Fazit: Die auf Twitter und anderswo veröffentlichten Zitate geben zwar nicht immer exakt wieder, was Gauck damit gemeint hat, aber eine stark konservative und neoliberale Einstellung bleibt erkennbar, auch wenn sie schwer in handliche Zitate zu quetschen ist.

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Eine Antwort to “Gauck als nächster Bundespräsident – lieber nicht”

  1. bereitsteller Says:

    Das kann ich nur unterstreichen. Es ist nicht zu übersehen, dass eine Presskampagne gestartet wurde, um Gauck als „Präsidenten der Herzen“ zu etablieren. Dies Emotionalisierung eines einfachen Vorganges zeugt davon, dass die demokratische Kultur den Bach runter geht. Es etablieren sich immer stärker pseudodemokratische Strukturen. Gauck ist ein neoliberaler Opportunist. Ihn als Bürgerrechtler zu stilisieren, hat nichts mit der Realität zu tun.

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